Am 20.11.2019 diskutierten im Stuttgarter Neuen Schloss hochkarätige Expertinnen und Experten aus Rechtsmedizin, Justiz, Polizei und kommunalem Opferschutz zum Thema "Die medizinische Versorgung von Gewaltopfern in Baden-Württemberg".
In einem Interview äußerste sich der Landesvorsitzende des WEISSEN RINGS in Baden-Württemberg, Erwin Hetger, zu diesem Thema wie folgt:
Wie ist Baden-Württemberg bei der Erstversorgung von Gewaltopfern aufgestellt?
Hetger: Zu einer guten Erstversorgung gehört auch eine professionelle Spurensicherung und Beweisdokumentation. Außer dem hervorragenden Angebot der Gewaltambulanz an der Uniklinik Heidelberg gibt es keine andere Klinik im Land, die etwa bei Sexualdelikten Spuren sichern und dokumentieren könnte. Dass ist für ein Flächenland wie Baden-Württemberg zu wenig und nicht akzeptabel. Man kann doch keiner Frau, die in Konstanz vergewaltigt wurde, zumuten, nach Heidelberg zu fahren.
Woran liegt es, dass es kein anderes Angebot gibt?
Hetger: Das liegt an der fehlenden Finanzierung durch das Land. Solche Spezialeinrichtungen müssten der Landesregierung einfach mehr wert sein. Dabei geht es nicht um horrende Summen. Ich wäre schon froh, wenn wir an jeder Uniklinik - also auch in Tübingen, Freiburg und Ulm - solche Einrichtungen hätten. Das hätte für die Justiz entlastende Wirkung: Der Aufwand bei Gericht würde sich bei professioneller Beweisdokumentation verringern. Da steht dann nicht nur Aussage gegen Aussage, sondern es liegen dann klare Fakten, also Beweise, auf dem Tisch.
Wem kommt die Ambulanz zu Gute?
Hetger: Gerade bei den vielen Fällen innerfamiliärer Gewalt - jährlich 140 bis 150 000 Delikte - scheuen sich die Betroffenen sofort zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten. Bei der Gewaltambulanz können sie erst die Spuren sichern lassen und dann in Ruhe überlegen, ob sie ihren Peiniger anzeigen. Die rasche Sicherung der Spuren - etwa Sperma - ist wichtig, weil sie 24 Stunden später kaum noch nachgewiesen werden können.
Mit einem Hilfescheck des WEISSEN RINGS über einen Betrag von 150 € kann einem Opfer die kostenfreie Rechtsmedizinische Untersuchung, Dokumentation und Asservation der Gewaltspuren im erforderlichen Umfang, ermöglicht werden. So kann das Opfer, wenn es zu einem späteren Zeitpunkt den Mut gefasst hat , eine Strafverfolgung einleiten und auf die gesicherten Beweismittel zurückgreifen, die sonst verloren gegangen wären.
https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/rechts-und-verkehrsmedizin/leist…
Symbolbild Quelle: Universitätsklinikum Heidelberg